Entwicklung der Eisenbahnnetze
Mitte des 19. Jahrhunderts war eine rasante Entwicklung der Eisenbahnnetze in weiten Teilen Europas zu beobachten. Sie verlief im russischen Zarenreich jedoch nur stockend. Es wurde zwar schon 1837 die erste Eisenbahn auf heutigem russischem Boden fertig gestellt, aber es war nur eine kleine Privatbahn für den Zaren. Sie verband die 23 Kilometer zwischen Sankt Petersburg und seiner Sommerresidenz, Zarskoje Selo. Erst 1852 wurde die zweite Bahnstrecke in Dienst gestellt, zwischen der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg und Moskau, mit einer Länge von circa 644 Kilometer. In Deutschland waren, etwa zur gleichen Zeit, bereits 8000 Kilometer in Betrieb.
Militärische und wirtschaftliche Gründe
Unter Zar Alexander II. (1855-1881) erfuhr Russland eine soziale und wirtschaftliche Modernisierung. Das Eisenbahnnetz erweitert. Sein Sohn, Zar Alexander III, entschied sich für den Bau der langen und technisch anspruchsvollen Strecke. Sie sollte die entfernte Hafenstadt Wladiwostok mit Moskau verbinden. Der eisfreie Hafen im Osten sollte an den Westen des russischen Reiches angebunden werden. So konnte man sich einen Teil des weltweiten Warentransports sichern. Zugleich hatte man eine Alternative zum langsameren Seeweg, der immerhin deutlich mehr als zwei Monate Zeit in Anspruch nahm. Mit dem Zug dauerte es dagegen nur circa fünf Wochen bis Europa.
Beginn der Bauarbeiten
Die Bauarbeiten begannen 1891 in Wladiwostok. Aufgrund der Länge der Trasse, wurden die verschiedenen Streckenabschnitte gleichzeitig gebaut. Zeitweise waren bis zu 90.000 Arbeiter gleichzeitig im Einsatz. Der Bau ging, gemessen an der Herausforderung, schnell voran. Die extrem harten Arbeits- und Lebensbedingungen forderten jedoch ihren Preis: Zehntausende Arbeiter starben während der Bauphase an Krankheiten und Seuchen. Manchmal mussten sie im sibirischen Winter, bei Temperaturen um die minus 40 Grad Celsius ohne feste Behausung auskommen. Eine ausreichende medizinische Versorgung fehlte.
Transsibirische Eisenbahn fuhr im Schlitten über den Baikalsee
Ein durchgängiger Schienenverkehr zwischen St. Petersburg über Moskau nach Wladiwostok war ab 1904 möglich. Bis zur Fertigstellung der felsigen Passage am Baikalsee musste die Bahn im Winter mit Schlitten transportiert werden. Im Sommer übernahmen Schiffe den Transport über den riesigen See.
Die Fertigstellung dieses technisch schwierigsten und kostspieligsten Teilstücks wurde aufgrund des Russisch-Japanischen Kriegs (1904- 1905) forciert, da die Strecke nun militärisch bedeutsam wurde. Für einen Kilometer Strecke durch die Felsen am Seeufer benötigte man einen ganzen Waggon voller Sprengstoff. Dadurch stiegen die Baukosten beinahe auf den dreifachen Preis eines durchschnittlichen Kilometers der Transsibirischen Eisenbahn.
Der Krieg machte eine veränderte Streckenführung notwendig. Ein Teil der Strecke führte nämlich durch die Mandschurei, die nicht zu Russland gehörte. Die Angst vor einer japanischen Besatzung der Mandschurei veranlasste die russische Führung, die Streckenführung zu verändern. Bis 1916 wurden an der Amur-Strecke gebaut, die seitdem die klassische Streckenführung der Transsibirischen Eisenbahn darstellt.
Transsibirische Eisenbahn war sehr langsam
Bis heute bleibt die technische Meisterleistung der Arbeiter und Ingenieure beeindruckend. Anfangs bevorzugte man einfache und billige Lösungen. Man vermied Tunnel durch enge Kurven und große Steigungen und verbaute Material minderwertiger Qualität. Dies geschah jedoch auf Kosten der Reisegeschwindigkeit, die Anfang des 20. Jahrhunderts kaum die 30 km/h überstieg, was auch für die damalige Zeit sehr langsam war.
Die Schienen waren leichter als üblich und bogen sich. Doch dies war auch eine notwendige Anpassung an die klimatischen Bedingungen. Die Schienen wären sonst womöglich in den auftauenden Frostböden eingesunken. Brücken, die anfangs aus Holz gebaut wurden, fingen manchmal wegen des Funkenflugs Feuer. Später baute man Brücken aus Stein und Stahl. Insgesamt über 485 Brücken liegen auf der Strecke, einige von ihnen gehören zu den längsten Brücken Asiens. So zum Beispiel die Amur-Brücke, die zwei Kilometer überspannt.
Trotz der großen Bedeutung der Strecke war sie nur eingleisig ausgebaut. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das zweite Gleis geplant. Es konnte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu Ende geführt werden.